Die Jagd im befriedeten Bezirk!
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Kaum ein Begriff führt in der Praxis zu derart vielen Abgrenzungsschwierigkeiten wie der Begriff des „befriedeten Bezirks“. Aus Sicht der Jagdgenossenschaften ist vor allem wichtig, ob eingezäunte oder sonstige der menschlichen Nutzung unterworfene Flächen noch zum Gemeinschaftsjagdrevier zählen bzw. ob die Grundstückseigentümer noch Jagdgenossen sind oder nicht. Der Jagdpächter hat ein Interesse zu wissen, ob ein Bezirk befriedet ist und ob bzw. bis wo er die Jagd ausüben kann. Den Eigentümern bzw. Bewohnern eines befriedeten Bezirks könnte also der „Frieden“ gar nicht besonders behagen, nachgerade dann, wenn etwa Füchse und Marder sich an der Hühnerschar gütlich tun. Das Bundesjagdgesetz enthält keine Regelung, was unter einem befriedeten Bezirk zu verstehen ist, sondern unterwirft diese Einzelfrage nach § 6 BJG dem jeweiligen Landesrecht.
Darzustellen, welche Regelungen die Landesbehörden im Einzelfall getroffen haben, würde hier den Rahmen sprengen, zusammenfassend kann indes gesagt werden, daß kraft Gesetzes zu befriedeten Bezirken gehören:
Ungeachtet der Frage, ob eine Fläche als befriedeter Bezirk erklärt worden ist, bleibt diese Fläche Bestandteil eines Gemeinschaftsjagdreviers. Im Zuge der Verpachtung brauchen deshalb die befriedeten Bezirke nicht gesondert ausgewiesen oder gar von der Gesamtrevierfläche abgezogen zu werden. Eine derartige Ausgliederung bzw. ein entsprechender Nachweis wäre nur dann erforderlich, wenn ein Gemeinschaftsjagdrevier unter Abzug der entsprechenden Flächen nicht mehr der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgröße (je nach Landesjagdgesetz) entspräche (so zumindest in den meisten Landesjagdgesetzen geregelt).
Ungeachtet der Tatsache, daß die Flächen, welche als befriedete Bezirke zu betrachten sind, gleichwohl Bestandteil des Gemeinschaftsjagdreviers sind und bei der Berechnung der Größe desselben mitgerechnet werden, gehören nach § 9 Abs. 1 BJG die Eigentümer der befriedeten Flächen aber nicht zu den Jagdgenossen. Sie haben insoweit nicht nur keinen Anspruch auf Auszahlung ihres Jagdpachtanteils, sie haben darüber hinaus auch keinen Anspruch auf Wildschadenersatz.
Wenn eine Fläche qua Gesetzes als befriedeter Bezirk anzusehen ist oder durch die Untere Jagdbehörde zum befriedeten Bezirk erklärt wird, so kann dies für den betroffenen Grundeigentümer – je nach Sichtweise – entweder Fluch oder Segen sein. Wer etwa innerhalb einer vergleichsweise stark urbanisierten Fläche auf kleineren Teilstücken und/oder Baulücken Landwirtschaft betreibt, wird dann, sofern die Untere Jagdbehörde diese Flächen im Hinblick auf ihre Eingebundenheit in die örtliche Bebauung zu befriedeten Bezirken erklärt, wenig begeistert sein. Von der vermeintlichen Ruhe, die nach der Erklärung zu befriedeten Bezirken lediglich seinen anwohnenden Grundstücksnachbarn zu Gute kommt, kann sich der Landwirt ebenso wenig etwas kaufen wie von dem dann ausbleibenden Anteil der Jagdpacht, geschweige denn könnte er Ersatz für Wildschäden verlangen, die etwa durch Schwarzwild beim nunmehr ungestörten Brechen auf dem Acker entstehen.
Wer in ländlichen Gebieten eine an seinen Resthof angrenzende Wiese zu einem parkartigen Bauerngarten umgestaltet, wird zum einen zwar nicht unbedingt glücklich darüber sein, wenn der Jagdpächter ungebeten und ungefragt auf dem Grundstück die Jagd ausübt, ja hier sogar eventuell einen Schuss abgibt. Hingegen würde dieser „Frieden“ teuer damit erkauft, wenn in der Umkehrung sämtliche quasi-landwirtschaftlichen Nutzungen nicht mehr wildschadenersatzpflichtig sind und die hier gezogenen Früchte zukünftig wildschadenersatzrechtlich folgenlos durch das Wild beeinträchtigt werden können.
Gleichermaßen, wie bei gemeinschaftlichen Jagdbezirken die befriedeten Bezirke mitgerechnet werden, werden bei der Berechnung der Mindestgröße eines Eigenjagdrevieres die befriedeten Flächen mit eingerechnet.
Die Folgen der Ruhensanordnung der Jagd nach § 6 BJG wirken auf den ersten Blick etwas verwirrend. Trotz der Tatsache, daß letztlich auf den entsprechenden Flächen die Jagd ruht, ruht auf den Flächen gleichwohl nicht das Jagdrecht. „Jagdruhe“ im gesetzlichen Sinne beschreibt insoweit das absolute örtliche, sachliche und zeitliche Verbot, auf der entsprechenden Fläche die Jagd auszuüben. Dies betrifft mithin gleichermaßen den Eigentümer des befriedeten Grundstücks wie auch den Ausübungsberechtigten (meistens der Pächter). Im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Ruhensanordnung sind die Rechtsfolgen vergleichsweise drakonisch. Sofern ein Grundstück als befriedeter Bezirk anzusehen ist, steht das Jagdrecht hierauf – das gesetzlich nun nicht mehr an den Jagdpächter übertragen werden kann – dem Grundstückseigentümer an sich wieder zu. Ungeachtet dessen ruht auch für ihn die Jagd auf dem Grundstück, so daß die Ausübung der Jagd auf dem Grundstück durch den Eigentümer eine Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 BJG wäre. Der Revierinhaber hingegen hat nach der Ruhensanordnung keinerlei Jagdausübungsrecht mehr auf dem Grundstück. Da – wie dargestellt – das Jagdrecht nunmehr wieder an den Eigentümer „zurückfiele“, würde er im Falle der Ausübung der Jagd fremdes Jagdrecht beeinträchtigen, mithin sogar eine Jagdwilderei nach § 292 StGB begehen (!).
In praktisch allen Landesjagdgesetzen finden sich indes auch Ausnahmen vom Jagdverbot innerhalb des befriedeten Bezirks. Der Grund liegt darin, daß die menschlichen Behausungen und Gärten sowie die darin gehaltenen Tiere in besonderem Maße anfällig für die Schädigung von kulturfolgenden „Plagegeistern“, wie etwa Steinmardern, Wildkaninchen, Füchsen, Iltissen etc. sind. Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Gartenpflanzen vor Verbiss, etwa durch Wildkaninchen sowie von Nutztieren vor Riss durch Fuchs oder Marder, sowie des Schutzes der Bausubstanz von Gebäuden und von Kraftfahrzeugen durch Marderverbiss und Verkotung (etwa durch Tauben) bestehen – je nach Landesrecht – generelle Erlaubnisse betreffend der Bejagung entsprechender Kleintierarten, oder aber die Möglichkeit einer entsprechenden Genehmigungs-Erteilung. Ein Jagdschein ist für die entsprechende Jagdausübung sodann regelmäßig nicht vonnöten. Die Ausübung von Schusswaffen ist indes in den meisten Fällen verboten bzw. darf nur mit spezieller Erlaubnis der Jagdbehörde durchgeführt werden (wobei natürlich waffenrechtliche Vorschriften zu beachten sind).
In Ermangelung der Möglichkeit bzw. der Erlaubnis, eine Schusswaffe einzusetzen (mangels jagdlicher Erfahrung) wird ein betroffener Grundeigentümer im Hinblick auf die Erlegung von „Kleinwild“ im befriedeten Bezirk auf die Fallen- bzw. Fangjagd zurückgreifen müssen. Welche Fallen hier konkret erlaubt sind, ist jeweils den landesgesetzlichen Regelungen zu entnehmen. Ob und wie weit etwa „Totschlagfallen“ erlaubt sind und welche Art von Totschlagfallen erlaubt sind, ist ebenso Landessache, wie welche Art von Lebendfallen verwendet werden dürfen und in welchen Kontrollzyklen diese überwacht werden sollten/müssen.
Ebenso ist es den landesgesetzlichen Regelungen unterworfen, inwieweit zum Abfangen/Töten des lebend gefangenen Tieres durch den Grundeigentümer (nach entsprechender Einzelfallgenehmigung) oder durch den Jagdausübungsberechtigten der Schusswaffeneinsatz innerhalb des befriedeten Bezirks erlaubt ist oder nicht.
Die vorstehenden Zeilen dürften deutlich gemacht haben, daß die Frage, ob und inwieweit ein Grundstück als befriedeter Bezirk anzusehen ist, durchaus ernst zu nehmen ist. Wer einmal in vergleichsweise dicht besiedelten Regionen, wie etwa dem Ruhrgebiet, landwirtschaftlich kleinparzelligen Landstrichen, wie etwa dem Ruhrgebiet, in Teilen des Schaumburger Landes oder schlichtweg einfach nur in Stadtrandnähe großer Metropolen eine Treibjagd durchgeführt hat, weiß, wie sehr landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Flächen durch Wohnbebauung oder industrielle Bebauung durchschnitten werden, wobei sich die Befriedung eines Bezirkes durch die baulichen Gegebenheiten nicht unbedingt auf den ersten Blick erschließt. Die vergleichsweise kleinflächigen Flurgrößen mögen unter dem Gesichtspunkt abwechslungsreicher Fruchtfolge und der vorhandenen Randstreifen jagdlich interessant sein. Sollten indes „betroffene“ Grundeigentümer der Jagd generell kritisch oder feindlich gegenüberstehen oder dies zumindest in Bezug auf ihr eigenes Grundstück tun (was zumindest in urban geprägten Regionen nicht selten der Fall sein dürfte), besteht die Gefahr, daß derart – vermeintlich – in ihren Rechten verletzte Grundeigentümer mit geringem Aufwand großen Ärger bereiten können.
Ohne eine Sondergenehmigung darf Schalenwild innerhalb befriedeter Bezirke nicht bejagt werden. Geht ein Wildtier allerdings innerhalb eines befriedeten Bezirks derart massiv zu Schaden, daß das vorherige Einholen einer behördlichen Bejagungsgenehmigung (incl. der Erlaubnis zu Führen der Waffe) unzumutbar ist, so kann die Erlegung des Tieres in Einzelfällen (auch für Nichtjäger) unter dem Gesichtspunkt des sog. „Defensivnotstandes“ nach § 228 BGB gerechtfertigt sein. Rechtlich handelt es sich dann aber nicht um Jagd, sondern eine Art „Notwehr gegen Sachen“. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann eine Sache (und das ist ein Wildschwein im Rechtssinne) zerstört (also erlegt) werden, wenn von ihr eine akute Gefahr für ein überwiegendes Rechtsgut ausgeht. Hierbei muss allerdings eine Rechtsgüterabwägung vorgenommen werden. Demoliert ein in Panik geratenes Wildschwein die Inneneinrichtung eines Hauses oder gefährdet gar Menschen, wird im Zweifel niemand etwas gegen die Erlegung einwenden können (vorausgesetzt, das Tier hätte sich nicht einfach vertreiben lassen). Beherzt zum Gewehr zu greifen, nur weil der Rehbock an Großmütterchens Lieblingsrose äst, wäre aber in jedem Falle falsch – das Tier könnte statt dessen verscheucht und die Pflanze dann durch Einzäunen geschützt werden.
Darf im befriedeten Bezirk die Schusswaffe eingesetzt werden?
Generell muß der Einsatz der Schusswaffe innerhalb eines befriedeten Bezirkes und insbesondere innerhalb von Gebäuden der besonderen Gefahrerhöhung durch Abpraller wegen auf absolute Notfallsituationen beschränkt bleiben. Diesbezüglich ist im Rahmen einer Güterabwägung auch stets zu beurteilen, ob nicht im Rahmen der Gefahrabwehr die Sache nur „verschlimmbessert“ wird. Zweifelsohne wird demjenigen, der hinzugerufen wird, um eine wildgewordene Sau in einer Wohnung mit der blanken Waffe abzufangen, folgenlos zuzubilligen sein, daß der Schweiß des Tieres die Auslegeware durchtränkt. Wer aber beim Versuch, einen Frischling innerhalb geschlossener Räume zu strecken, sein extra fürs Schiesskino angeschafftes 10-Schuss-Magazin entleert und statt des Borstenviehs lediglich Einrichtungsgegenstände perforiert oder – schlimmer – Personen trifft, wird sich hierfür kaum noch auf das Rechtsinstitut des Defensivnotstandes berufen können. Bei einem derartigen „Notstandsexzess“ wird er die angerichteten Schäden zu bezahlen und schlimmstenfalls auch strafrechtlich zu büßen haben. Da der Waidmann zudem nicht als Jäger, sondern nach § 228 BGB nur als mehr oder minder zufällig anwesender „bewaffneter Helfer“ agiert, handelt es sich auch nicht um von der Jagdhaftpflichtversicherung zu ersetzende Schäden.
Laben sich die Sauen an den Kartoffeln aus Nachbars Garten, so sind dem Jäger die Hände gebunden, d. h. gleichermaßen darf er (vorausgesetzt es gibt keine Sondergenehmigung durch die untere Jagdbehörde) zwar weder zum Gewehr greifen, noch müßte er allerdings die Brieftasche zücken, denn für den (Wild-) Geschädigten im Befriedeten Bezirk gibt es keinen Wildschadensersatz.
Wie sollte ich mich bei Wildschadensereignissen im befriedeten Bezirk verhalten?
Wer sich – sofern Wild innerhalb befriedeter Bezirk zu Schaden geht – aufs Zuschauen beschränkt, ist rechtlich auf der sicheren Seite, d. h. er kann weder strafrechtlich zu Verantwortung gezogen werden, noch müßte er für den vom Tier angerichtete Schaden zahlen. Eine Pflicht einzugreifen, besteht zumindest dann, sofern kein menschliches Leben oder erhebliche Sachwerte in Gefahr sind (Stichwort: „unterlassene Hilfeleistung“), nicht.
Generell ist gut beraten, wer in diesen Fällen akuter Gefährdungen der Polizei den Vortritt lässt. Aus den seitens der Bundesländer erlassenen Polizeigesetzen ergibt sich die generelle Kompetenz und Pflicht der Polizei zur „Gefahrenabwehr“ jedweder Art, wozu auch das Einfangen oder Erschießen „wild gewordener“ Wild- oder Nutztiere gehört. Zwar sind Polizeibeamten im Allgemeinen nicht gesondert geschult, was den Umgang mit „randalierenden Tieren“ anbelangt, doch wer von uns Jägern könnte das von sich behaupten?
In der Praxis fordert die Polizei allerdings häufig einen bereits anwesenden oder hinzugerufenen Jäger auf, ein zu Schaden gehendes oder verletztes Tier zu erlegen. Der Jäger wird hierdurch zum sog. „Beliehenen“, d. h. er nimmt weisungsgebunden unmittelbar hoheitliche Funktionen wahr. Für den Jäger bedeutet dies, daß – soweit seine Handlungen sich im Rahmen der Weisung halten – gleichermaßen der Einsatz der Schusswaffe (selbst im fremden Revier) gerechtfertigt ist und er nicht fürchten muß, im Hinblick auf etwaig angerichtete Schäden in Anspruch genommen zu werden.
Aber Vorsicht! Wenn in dieser Situation etwas schiefgeht (also etwa unbeabsichtigt irgendwelche Sachwerte zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen werden), will am Ende natürlich niemand für etwas verantwortlich sein („Ja, sicher sollten Sie uns helfen – aber soooo war das natürlich nicht gedacht…!“). Für eine vorherige Verschriftlichung der polizeilichen Anweisung dürfte zwar regelmäßig kaum Zeit und Gelegenheit sein. Wer von der Polizei gebeten wird, helfend einzugreifen, sollte aber darauf achten, daß die Handlungsanweisung eindeutig ist, sich strikt an diese Anweisung gehalten und – wenn irgend möglich – die Anweisung auch in Gegenwart eines unbeteiligten Zeugen entgegengenommen wird.
Doch unabhängig davon, ob nun Jäger oder Polizei den ungebetenen Besuch zur Strecke bringen – auf dem vom Tier angerichteten Schaden wird der Hauseigentümer im Zweifel wohl sitzenbleiben. Gebäude- und Einrichtungsschäden sind, da der Ersatz des Wildschadens im befriedeten Bezirk entfällt, schlichtweg nicht vom Pächter ersatzpflichtig. Auch die üblichen Hausratversicherungen enthalten zwar eine Ersatzpflicht für „Vandalismusschäden“, doch „tierische Vandalen“ werden hiervon nicht erfasst. Daß dem geschädigten Hauseigentümer innerhalb des befriedeten Bezirks das Aneignungsrecht an der verendeten Sau zusteht, ist dann sicher nur ein schwacher Trost.